Vorwort:
Eine der Motivationen für diese Textsammlung sind die Erinnerungen an Diskussionen und Gespräche aus den letzten Jahren und Monaten, in denen häufig dieses Zögern in der Luft zu spüren war. Dieses Zögern bei der Frage nach (gemeinsamen) Perspektiven, sowie bei der Frage nach wirksamen Strategien gegen den rechten Straßenterror, Rassismus und der Faschisierung. Verbunden mit diesen Erinnerungen sind uns die Monate gewahr, als die AfD „aufkam“ und einige Personen, auch aus antifaschistischen Zusammenhängen, die Partei immens unterschätzten und belächelten. Mittlerweile ist sie (mitsamt ihrem Umfeld) in einigen Bundesländern die stärkste bzw. zweitstärkste Partei. Unzählige Analysen und Erklärungsversuche gab es seither.
Und dazwischen war da noch dieser „Sommer“ (2015), in dem auf einmal eine rassistische, mörderische, mit Diktatoren kooperierende und Abschiebegesetze formulierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (als Sinnbild der deutschen Politik) auch von linker Seite als „ganz in Ordnung“ befunden wurde. „Wir schaffen das“ war ihr Eingeständnis, nachdem Geflüchtete auf ihren Weg in die reichsten Länder der Welt das europäische Grenzregime für eine kurze Zeit zum Wanken brachten. „Wir schaffen das“ war eine gute PR-Kampagne, um vom mörderischen alltäglichen Handwerk der deutschen Behörden abzulenken. Das Fazit von „Wir schaffen das“ war am Ende: Grenzen dichtmachen. Festung Europa, ein perfektes Bollwerk aus Frontex, Zäunen, Gesetzen und einem Zusammenarbeiten von Polizei und Militärapparaten. Trotz tausender im Mittelmeer Ertrunkener und trotz der menschenunwürdiger Zustände, in denen die Angekommenen (über)leben und obwohl es genug Platz für Alle gäbe, war es für „die Besorgten“ immer noch zu viel. Das patriotische „Korrektiv“, das sich um Blut und arischdeutschen Boden schert, geht seit einigen Jahren wieder auf die Straße, macht selber Politik. PEGIDA & Co war und ist eine Rutschbahn, auf der das neue alte Deutschland ordentlich Schwung genommen hat.
Es entsteht eine Erklärungsnot, warum in weißdeutschen Kontexten so wenig Ängste und Sorgen geteilt werden, hinsichtlich dessen was ist und was kommen wird und uns alle betrifft also die alltägliche (faschistische) Bedrohung. Deswegen war es uns wichtig, Texte zu Deutschlands neuen (alten) Lagern mit aufzunehmen, zum mörderischen Ablauf des Migrations-Abwehrsystems.
Wir wissen darum, dass diese Textsammlung nicht komplett ist, vielmehr soll sie ein weiteres Werkzeug für Strategiediskussionen darstellen. Als einen Mangel dieser Broschüre sehen wir die Unterrepräsentation von Texten, die die Wichtigkeit des Patriarchats für die Faschisierung nachzeichnen. Antifaschismus sollte immer auch ein Kampf gegen das Patriarchat sein und feministische Kämpfe immer auch antifaschistisch.
Und ja, diese Broschüre kann gern als fatalistisch gelesen werden, wir leben in beschissenen Zeiten, und es ist allemal besser (aus späterer Betrachtung) sich unnötig vorbereitet zu haben, als irgendwann zu merken dass, es zu spät ist und die Falle (auch für weißdeutsche nichtjüdische Menschen) zuschnappt.
Unabhängig der empfundenen Zersplitterung unserer Zusammenhänge ist es wichtig, dass wir uns organisieren. Ob auf Straßenfesten, Kundgebungen und (Gegen)Demos, militant oder nicht, laut oder leise, Tag oder Nacht, in der Nachbar_innenschaft, in Vereinen, im Freund_innenkreis oder darüber hinaus. Und natürlich heißt Antifa auch Angriff! Heißt Antifa auch, durch solidarisches Handeln Strukturen aufzubauen, die wir als gemeinsame Räume für unsere Kämpfe verstehen. Los gehts, wenn wir nicht schon dabei sind lasst uns vielgestaltige Banden bilden in den eigenen Dörfern, Städten, Kiezen überall dort, wo dies notwendig ist!
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