Mit einem Vorwort von Gabriel Pombo de Silva (Aachen 4).
Deutschsprachige Übersetzung des Buches “Huye, hombre, huye” (Flieh, Mann, Flieh) geschrieben von Jose Tarrio. Er hat dies in seiner Zeit im spanischen FIES-Isolationsknast geschrieben, er ist dort auch zu Tode gekommen.
Rezension von Thomas Meyer-Falk:
Wenn Nelson Mandela davon sprach, das Gefängnis beraube den Menschen nicht nur seiner Freiheit, sondern suche auch ihm die Identität zu nehmen, dann legt das hier zu besprechende Buch von Xose’ Tarrio, der 2005 in Spanien starb, Zeugnis davon ab, wie Gefangene ihre Identität verteidigen und trotz unmenschlicher, trotz erniedrigender Behandlung und Folter ihr Mensch sein bewahren.
Zehn Jahre brauchte es, bis das im Original in Spanien (“Huye, hombre, huye. Diario de un preso FIES”) 1997 erschienene bibliografische Buch von Xose’ nun in deutscher Übersetzung vorliegt: “Hau ab, Mensch!”.
Auf über 300 Seiten berichtet Xose’ von den einzelnen Gefängnissen, in denen er im Verlaufe vieler Jahre festgehalten, geschlagen, in Handschellen gelegt wurde. Dies ist der äußere Rahmen und ist schon lesenswert genug, wird doch die zerstörerische Wirkung der Institution Gefängnis deutlich. Ebenso faszinierend und ungleich mehr von Bedeutung ist jedoch die innere Entwicklung Xose’ Tarrios zu verfolgen. Er, der mit 19 Jahren eine anderthalbjährige Strafe antreten soll und am Ende ein Strafmaß von 71 (!) Jahren vor sich hat, als er 2004 ins Koma fällt und Anfang 2005 stirbt.
Geprägt von vielen Jahren in Heimen und Erziehungsanstalten, ist er gewohnt, sich gegen die Umstände, auf die er im Gefängnis trifft, aufzulehnen — und landet unversehens in Isolationshaft.
Das Buch erzählt, orientiert an den einzelnen Gefängnissen, in die er verlegt wird, die Entwicklung hin zu einem anarchistischen Menschen, voller Wut ebenso, wie voller Liebe. Es erzählt von Solidarität unter den Inhaftierten und ihren Aufständen — aber auch von der Enttäuschung durch Verrat.
Auf Xose’s Schilderungen passt gut der Satz des Anarchisten Erich Mühsam: “Trotz allem Mensch sein, wär’s auch mit dem Messer!”.
Wo immer er die Möglichkeit hatte, las Xose’s Bücher über Politik, Literatur, Philosophie und diskutierte mit seinen Leidensgenossen über das, was sie gelesen hatten. Je mehr sich der innere Horizont erweiterte, umso mehr revoltierten er und die anderen Gefangenen gegen die Mauern und die unmenschlichen Haftbedingungen.
Eine Übersetzung ist stets ein Wagnis, aber dem Übersetzer ist es exzellent gelungen, die bilderreiche und kraftstrotzende Sprache Xose’ Tarrios in das Deutsche zu übertragen.
Eingerahmt wird das Buch von einem Vorwort Gabriel Pombo da Silvas und einem Anhang mit einem Interview, das im Juni 2005 mit den Müttern von Xose’ und Gabriel geführt wurde. Gabriel, selbst spanischer Anarchist, verbüßt zurzeit eine lange Haftstrafe in Aachen. Er lässt sich auch dort nicht mundtot machen und setzt den Kampf für eine Gesellschaft ohne Knäste ebenso fort, wie die Mutter Xose’s. Gerade der Umstand, dass am Ende die Mütter der beiden Gefangenen zu Wort kommen (wo hört man denn sonst, dass sich Mütter von Inhaftierten öffentlich äußern?) trägt zum Gelingen dieses empfehlenswerten Buchs bei.
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